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Öko-Hof Wiesede - Foto: DG Wiesede |
Wut und Enttäuschung herrschen im Nachbarort Wiesede. Seit mehr als 20 Jahren gibt es dort den Öko-Hof, einen Bauernhof, der durch Arbeitslose betrieben wird. Viele von denen konnten in der Vergangenheit qualifiziert und zu einem festen Arbeitsverhältnis verholfen werden.
Dieses Sozialprojekt soll nicht mehr finanziell unterstützt werden - so die Empfehlung des Haushaltsausschusses des Landkreises Wittmund.
Dies empört viele Bürger in Wiesede. Günter Peters, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft, hat einen offenen Brief geschrieben und setzt sich dafür ein, dass dieses Sozialprojekt weiter erhalten und gefördert wird. Er hofft, dass der Inhalt des Briefes möglichst weit bekannt wird.
Dies wird gerne unterstützt!
Zitat:
Günter Peters
26446 Friedeburg, 16.12.2013
Günter Peters, Dobbenweg 4, 26446
Friedeburg/Wiesede
Offener Brief
~ Landkreis Wittmund ~ Landrat
~
Kreistagsabgeordneten ~ Presse
26446 Friedeburg Ortsteil Wiesede
Dobbenweg 04 Tel: 04948/565 Fax 032222403759 Handy: 017115303760 mail: peters.wiesede@t-online.de
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Beschlussempfehlung des
Haushaltsausschusses des LK am 11.12. 2013, den Betrieb des Öko-Hofs
einzustellen, ist für mich als verantwortungsvoll denkender und handelnder
Mensch und engagierter Sozialdemokrat unfassbar. Noch vor ein paar Wochen hat
mir der Landrat in einem Gespräch in der "Alten Schmiede" (Wiesede)
versichert, dass er alles tun werde, um den Öko-Hof weiterhin zu erhalten. An
das Versprechen habe ich geglaubt.
Da auch die Vorlage für den
Fachausschuss mit Billigung des Landrats geschah, ist meine Enttäuschung umso
größer. Besonders die Darstellung und die Aussagen in der Vorlage sind
irreführend, denn sie berücksichtigen weder die Gesamtproblematik, die
Einnahmen des Öko-Hofes, den Erfolg der letzten 20 Jahre, noch den
Sozialfaktor. Es blutet mein Herz, wenn gleichgültig über die soziale
Notwendigkeit des Sozialbetriebes Öko-Hof hinweg gegangen wird. Da wird in der
Begründung des Jobcenters gesagt, das aus "dortiger Sicht der Öko-Hof
entbehrlich ist". Und wenn dann noch behauptet wird, es stünden nicht
genügend vermittelbare Arbeitskräfte zur Verfügung, dann widerspricht das der
Arbeitslosen- und Sozialstatistik des Landkreises. Meine Informationen aus dem
internen Bereich der Verwaltung geben meiner Vermutung recht, dass es die
Absicht war, den Öko-Hof langsam "auszuhungern". Es ist ihnen
scheinbar jetzt gelungen. Und die Politik macht mit! Der Beschluss des Fachausschusses
macht mich besonders auch als Sozialdemokrat traurig und zornig. Enttäuscht bin
ich vom Landrat und auch von meinen Parteigenossen. Am Montag, 16. Dezember,
kann der Kreisausschuss diese Beschlussempfehlung noch korrigieren und
aussetzen.
Ja, ich habe mich als SPD
Kreistagsabgeordneter zwanzig Jahre für den Öko-Hof eingesetzt, weil die
Erfolge unübersehbar und überzeugend waren. Der Erfolg ist auch ein Verdienst
des Leiters Hans-Günther Willms, der sehr oft verzweifelt war, weil ihm keine Hilfe
aus der Verwaltung gegeben wurde. Viele Frauen und Männer wurden
über die Arbeit im
Öko-Hof qualifiziert und haben wieder Anschluss im "normalen
Berufsleben" gefunden. Andere, sozial und mehrfach benachteiligte
Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, konnten auf dem
Öko-Hof eine sinnvolle Arbeit beschäftigt werden. Diesen Menschen wurde durch
diese einfache Arbeit die Würde wiedergegeben.
Der ÖKO-Hof ist ein Sozial betrieb.
Der ÖKO-Hof darf als Sozial betrieb aus Wettbewerbsgründen nicht mit
Gewerbebetrieben konkurrieren und kann deshalb auch nie gewinnorientiert
agieren und schwarze Zahlen schreiben. Das wissen alle. Trotzdem hat der
ÖKO-Hof seine Einnahmen in den letzten Jahren (30.000 Euro) kontinuierlich
steigern können. Diese Gewinne werden in der Vorlage für den Fachausschuss
nicht erwähnt. Warum nicht?
Der Öko-Hof ist ein Prestige- und
Aushängeschild des Landkreises. Jetzt ist der Betrieb "entbehrlich"?
Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind immer nur eine Momentaufnahme, sie
können sich sehr schnell ändern. Der ÖKO-Hof hat als soziales Projekt immer
Höhen und Tiefen erlebt. Ich habe jahrelang vergeblich gefordert, dass
weitergehende kreative Beschäftigungsmaßnahmen für den Öko-Hof entwickelt werden
müssen. Ideen und Konzepte habe ich der Verwaltung vorgelegt. Ich habe leider
feststellen müssen, dass dafür keine Unterstützung aus der Verwaltung zu
erwarten ist. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass der Öko-Hof der
Verwaltung lästig und unbequem ist und zuviel Arbeit macht. Seitens der
Verwaltung war der Öko-Hof offenbar nur eine soziale "Pflichtübung",
solange es dafür genügend Fördermittel gibt. Es fehlte das Engagement, die
Überzeugung und der Wille, das Sozialprojekt Öko-Hof zu stützen und weiter zu
entwickeln.
Im Sozialprojekt
Öko-Hof wurde in 20 Jahren viel Geld investiert. Heute steht ein umfangreicher
Maschinenpark zur Verfügung. 2001 hat die Dorfgemeinschaft Wiesede-Upschört die
Beschaffung eines Traktors und mehrerer Gerätschaften mit 10.000 DM gefördert.
Vor zwei Jahren wurde erneut ein Traktor gespendet. In einem Förderprojekt
wurden gespendete, alte landwirtschaftliche Geräte und Maschinen komplett
überholt und für das Museum auf dem Dachboden hergerichtet. Ein 100 Jahre altes
Backhaus wurde wieder hergestellt und dient der Dorfgemeinschaft als Backstube
für die Backtage. Das alles soll jetzt "entbehrlich" sein?
Die Politiker, der Landkreis und vor
Ort auch die Gemeinde, stehen in einer sozialen, gesellschaftlichen
Verantwortung. Beschäftigungsmaßnahmen tragen zum sozialen Frieden bei und
entlasten letztlich die öffentlichen Haushalte. Beschäftigungsmaßnahmen sind
ein Akt der Solidarität. Wir alle haben die humane Pflicht uns auch um die
Menschen zu kümmern, denen es im Leben nicht so gut geht. Sowohl im
Kreisnaturschutzhof, Jugendwerkstatt, im ÖKO-Hof (und anderen früheren
Projekten) ging und geht es immer um Menschen, die ohne unsere Hilfe aus ihren
Problemen nicht mehr herauskommen. Es gibt sehr viele Menschen die wegen dieser
Probleme auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance haben. Politik und
Verwaltung dürfen niemals gleichgültig werden. Schlimm ist es, wenn mit dem
Argument der "Nichtzuständigkeit" oder mit dem Kostenfaktor ("zu
teuer") diese gesellschaftlichen Probleme verdrängt werden. Wir alle sind
als Mitmenschen aus humanen oder aus christlichen Gründen gefordert!
Zusammengefasst:
~ Der Öko-Hof wird
im Sinne der Finanzrechnung niemals "wirtschaftlich" sein.
Keiner würde z. B.
auf die Idee kommen die Werkstätten für Behinderte in Frage zu stellen.
Letztlich müssen dafür auch Steuermittel eingesetzt werden. Der Öko-Hof hat von
Jahr zu Jahr steigende Einnahmen vorzuweisen. Das darf nicht vergessen werden.
Der Öko-Hof braucht die Unterstützung der Verwaltung und der Politik.
~ Der kleine Landkreis stellt sich
immer wieder als leistungsfähig hin und will selbständig bleiben! Ich zweifle
stark daran, dass es so ist. Die Schließung des Öko-Hofes wäre ein Prestige-
und Imageverlust für den Landkreis.
~ Die sozialen Leistungen, auch wenn
sie viel Geld kosten, sind unverzichtbare und notwendige Hilfen für Menschen,
die sich selber nicht mehr helfen können. Die Jugendwerkstatt, der
Naturschutzhof und der ÖKO-Hof sind soziale Leistungen.
~ In den anderen Landkreisen in
Ostfriesland wird sehr viel mehr für benachteiligte Menschen und soziale
Projekte ausgegeben. In Aurich, Emden und Leer sind Politik und Verwaltungen
stolz die sozialen Projekten und Fördermaßnahmen. Sie ziehen diese Projekte
nicht in Zweifel.
~ Im dem luxuriösen Jobcenter in
Wittmund sind sehr viele Angestellte und Beamte für die Arbeitsvermittlung
tätig. Und sie können keine Kräfte mehr für den Öko-Hof "vermitteln"?
Die Arbeitslosenzahlliegt bei rund 1900 Personen. Wer wird dann die Aussage des
Jobcenters glauben? Wie sieht es im angrenzenden Landkreis Aurich, in der Stadt
Wiesmoor aus? Gibt es auch dort Personen, die gerne auf dem Öko-Hof arbeiten
würden?
~ Der Sozialbetrieb ÖKO-Hof schreibt
seit 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte.
Mehrere hundert
arbeitslose Frauen und Männer, Sozialhilfeempfänger (Hartz IV und 1 Euro Jobs)
und Zuwanderer wurden dort beschäftigt, qualifiziert und konnten in den ersten
Arbeitsmarkt vermittelt werden. Der Anbau von ökologischen Produkten mit dem
Markenzeichen "Bioland" auf einer 5 Hektar großen Fläche hat überall
große Anerkennung gefunden. Der Absatz der Produkte auf Märkten, in
Krankenhäusern, den Alten- und Pflegeheimen, der Gastronomie, hat die Einnahmen
erheblich gesteigert. Der Holzeinschlag und die Vermarktung des Brennholzes
waren erfolgreiche. Das soll alles nicht mehr gelten und aufs Spiel gesetzt
werden?
Mein Appell:
1. Es ist immer eine wichtige
Pflicht der Gesellschaft alle Menschen in Arbeit zu bringen.
2. Der ÖKO-Hof ist
das Aushängeschild des Landkreises.
3. Der Öko-Hof hat
vielen Menschen geholfen. Der ÖKO-Hof darf nicht in Frage gestellt werden,
sondern braucht mehr Unterstützung durch den Landkreis. Nur dann geht es auch
voran und aufwärts. Wo ein Wille ist auch ein Weg!
4. Der Öko-Hof ist anerkannt als
Bioland Betrieb. Soll dort künftig wieder Mais angebaut werden?
5. Der Öko-Hof ist integraler
Bestandteil des Dorflebens in Wiesede geworden.
Ohne Öko-Hof kein
Backhaus, keine Backtage, keine Werkstatt für die Dorfgemeinschaft , kein
Öko-Markt oder Adventsnachmittag auf der Diele.
6. Die Investitionen
(s. Vorlage) für den Öko-Hof sind nicht notwendig und dienen der Verunsicherung
und als fadenscheinige Begründung den Öko-Hof einzustellen.
7. Die stärkere Einbindung der
Gemeinde Friedeburg muss erfolgen. Denn auch die Gemeinde hat vom Öko-Hof
profitiert. Es muss dringend ein Gespräch mit der Gemeinde geführt werden.
Es gibt so viele
gute Gründe für den Erhalt des Öko-Hofes. Die Verwaltungsspitze und auch die
Kreistagsabgeordneten sollten mit Überzeugung und offensiv sowohl für den
Bestand als auch für die Weiterentwicklung des Öko-Hofes kämpfen. Wir brauchen
Sie als Entscheidungsträger. Verlangen Sie im KA einen Aufschub und lassen Sie
uns noch einmal über alle Dinge sprechen und verhandeln. Wir brauchen Ihre
Unterstützung!
Meine herzliche Bitte an den Landrat
und die Mitglieder/Fraktionen im Kreissausschuss:
Fassen Sie keinen Beschluss und
vertagen Sie die Entscheidung erneut zur Beratung in die Fraktionen. Wenn Sie
wollen, lässt sich eine Lösung finden.
Ihr
Günter Peters
Wiesede
15.12.2013
Zitat Ende