Montag, 23. Dezember 2013

Wut und Enttäuschung in Wiesede

Öko-Hof Wiesede - Foto: DG Wiesede

Wut und Enttäuschung herrschen im Nachbarort Wiesede.
Seit mehr als 20 Jahren gibt es dort den Öko-Hof, einen Bauernhof, der durch Arbeitslose betrieben wird. Viele von denen konnten in der Vergangenheit qualifiziert und zu einem festen Arbeitsverhältnis verholfen werden.

Dieses Sozialprojekt soll nicht mehr finanziell unterstützt werden - so die Empfehlung des Haushaltsausschusses des Landkreises Wittmund.

Dies empört viele Bürger in Wiesede. Günter Peters, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft, hat einen offenen Brief geschrieben und setzt sich dafür ein, dass dieses Sozialprojekt weiter erhalten und gefördert wird. Er hofft, dass der Inhalt des Briefes möglichst weit bekannt wird.

Dies wird gerne unterstützt!

Zitat:



Günter Peters
26446 Friedeburg, 16.12.2013
Günter Peters, Dobbenweg 4, 26446 Friedeburg/Wiesede
Offener Brief
~ Landkreis Wittmund ~ Landrat
~ Kreistagsabgeordneten ~ Presse
26446 Friedeburg Ortsteil Wiesede Dobbenweg 04 Tel: 04948/565 Fax 032222403759 Handy: 017115303760 mail: peters.wiesede@t-online.de
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses des LK am 11.12. 2013, den Betrieb des Öko-Hofs einzustellen, ist für mich als verantwortungsvoll denkender und handelnder Mensch und engagierter Sozialdemokrat unfassbar. Noch vor ein paar Wochen hat mir der Landrat in einem Gespräch in der "Alten Schmiede" (Wiesede) versichert, dass er alles tun werde, um den Öko-Hof weiterhin zu erhalten. An das Versprechen habe ich geglaubt.
Da auch die Vorlage für den Fachausschuss mit Billigung des Landrats geschah, ist meine Enttäuschung umso größer. Besonders die Darstellung und die Aussagen in der Vorlage sind irreführend, denn sie berücksichtigen weder die Gesamtproblematik, die Einnahmen des Öko-Hofes, den Erfolg der letzten 20 Jahre, noch den Sozialfaktor. Es blutet mein Herz, wenn gleichgültig über die soziale Notwendigkeit des Sozialbetriebes Öko-Hof hinweg gegangen wird. Da wird in der Begründung des Jobcenters gesagt, das aus "dortiger Sicht der Öko-Hof entbehrlich ist". Und wenn dann noch behauptet wird, es stünden nicht genügend vermittelbare Arbeitskräfte zur Verfügung, dann widerspricht das der Arbeitslosen- und Sozialstatistik des Landkreises. Meine Informationen aus dem internen Bereich der Verwaltung geben meiner Vermutung recht, dass es die Absicht war, den Öko-Hof langsam "auszuhungern". Es ist ihnen scheinbar jetzt gelungen. Und die Politik macht mit! Der Beschluss des Fachausschusses macht mich besonders auch als Sozialdemokrat traurig und zornig. Enttäuscht bin ich vom Landrat und auch von meinen Parteigenossen. Am Montag, 16. Dezember, kann der Kreisausschuss diese Beschlussempfehlung noch korrigieren und aussetzen.
Ja, ich habe mich als SPD Kreistagsabgeordneter zwanzig Jahre für den Öko-Hof eingesetzt, weil die Erfolge unübersehbar und überzeugend waren. Der Erfolg ist auch ein Verdienst des Leiters Hans-Günther Willms, der sehr oft verzweifelt war, weil ihm keine Hilfe aus der Verwaltung gegeben wurde. Viele Frauen und Männer wurden
über die Arbeit im Öko-Hof qualifiziert und haben wieder Anschluss im "normalen Berufsleben" gefunden. Andere, sozial und mehrfach benachteiligte Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, konnten auf dem Öko-Hof eine sinnvolle Arbeit beschäftigt werden. Diesen Menschen wurde durch diese einfache Arbeit die Würde wiedergegeben.
Der ÖKO-Hof ist ein Sozial betrieb. Der ÖKO-Hof darf als Sozial betrieb aus Wettbewerbsgründen nicht mit Gewerbebetrieben konkurrieren und kann deshalb auch nie gewinnorientiert agieren und schwarze Zahlen schreiben. Das wissen alle. Trotzdem hat der ÖKO-Hof seine Einnahmen in den letzten Jahren (30.000 Euro) kontinuierlich steigern können. Diese Gewinne werden in der Vorlage für den Fachausschuss nicht erwähnt. Warum nicht?
Der Öko-Hof ist ein Prestige- und Aushängeschild des Landkreises. Jetzt ist der Betrieb "entbehrlich"? Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind immer nur eine Momentaufnahme, sie können sich sehr schnell ändern. Der ÖKO-Hof hat als soziales Projekt immer Höhen und Tiefen erlebt. Ich habe jahrelang vergeblich gefordert, dass weitergehende kreative Beschäftigungsmaßnahmen für den Öko-Hof entwickelt werden müssen. Ideen und Konzepte habe ich der Verwaltung vorgelegt. Ich habe leider feststellen müssen, dass dafür keine Unterstützung aus der Verwaltung zu erwarten ist. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass der Öko-Hof der Verwaltung lästig und unbequem ist und zuviel Arbeit macht. Seitens der Verwaltung war der Öko-Hof offenbar nur eine soziale "Pflichtübung", solange es dafür genügend Fördermittel gibt. Es fehlte das Engagement, die Überzeugung und der Wille, das Sozialprojekt Öko-Hof zu stützen und weiter zu entwickeln.
Im Sozialprojekt Öko-Hof wurde in 20 Jahren viel Geld investiert. Heute steht ein umfangreicher Maschinenpark zur Verfügung. 2001 hat die Dorfgemeinschaft Wiesede-Upschört die Beschaffung eines Traktors und mehrerer Gerätschaften mit 10.000 DM gefördert. Vor zwei Jahren wurde erneut ein Traktor gespendet. In einem Förderprojekt wurden gespendete, alte landwirtschaftliche Geräte und Maschinen komplett überholt und für das Museum auf dem Dachboden hergerichtet. Ein 100 Jahre altes Backhaus wurde wieder hergestellt und dient der Dorfgemeinschaft als Backstube für die Backtage. Das alles soll jetzt "entbehrlich" sein?
Die Politiker, der Landkreis und vor Ort auch die Gemeinde, stehen in einer sozialen, gesellschaftlichen Verantwortung. Beschäftigungsmaßnahmen tragen zum sozialen Frieden bei und entlasten letztlich die öffentlichen Haushalte. Beschäftigungsmaßnahmen sind ein Akt der Solidarität. Wir alle haben die humane Pflicht uns auch um die Menschen zu kümmern, denen es im Leben nicht so gut geht. Sowohl im Kreisnaturschutzhof, Jugendwerkstatt, im ÖKO-Hof (und anderen früheren Projekten) ging und geht es immer um Menschen, die ohne unsere Hilfe aus ihren Problemen nicht mehr herauskommen. Es gibt sehr viele Menschen die wegen dieser Probleme auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance haben. Politik und Verwaltung dürfen niemals gleichgültig werden. Schlimm ist es, wenn mit dem Argument der "Nichtzuständigkeit" oder mit dem Kostenfaktor ("zu teuer") diese gesellschaftlichen Probleme verdrängt werden. Wir alle sind als Mitmenschen aus humanen oder aus christlichen Gründen gefordert!
Zusammengefasst:
~ Der Öko-Hof wird im Sinne der Finanzrechnung niemals "wirtschaftlich" sein.
Keiner würde z. B. auf die Idee kommen die Werkstätten für Behinderte in Frage zu stellen. Letztlich müssen dafür auch Steuermittel eingesetzt werden. Der Öko-Hof hat von Jahr zu Jahr steigende Einnahmen vorzuweisen. Das darf nicht vergessen werden. Der Öko-Hof braucht die Unterstützung der Verwaltung und der Politik.

~ Der kleine Landkreis stellt sich immer wieder als leistungsfähig hin und will selbständig bleiben! Ich zweifle stark daran, dass es so ist. Die Schließung des Öko-Hofes wäre ein Prestige- und Imageverlust für den Landkreis.
~ Die sozialen Leistungen, auch wenn sie viel Geld kosten, sind unverzichtbare und notwendige Hilfen für Menschen, die sich selber nicht mehr helfen können. Die Jugendwerkstatt, der Naturschutzhof und der ÖKO-Hof sind soziale Leistungen.
~ In den anderen Landkreisen in Ostfriesland wird sehr viel mehr für benachteiligte Menschen und soziale Projekte ausgegeben. In Aurich, Emden und Leer sind Politik und Verwaltungen stolz die sozialen Projekten und Fördermaßnahmen. Sie ziehen diese Projekte nicht in Zweifel.
~ Im dem luxuriösen Jobcenter in Wittmund sind sehr viele Angestellte und Beamte für die Arbeitsvermittlung tätig. Und sie können keine Kräfte mehr für den Öko-Hof "vermitteln"? Die Arbeitslosenzahlliegt bei rund 1900 Personen. Wer wird dann die Aussage des Jobcenters glauben? Wie sieht es im angrenzenden Landkreis Aurich, in der Stadt Wiesmoor aus? Gibt es auch dort Personen, die gerne auf dem Öko-Hof arbeiten würden?
~ Der Sozialbetrieb ÖKO-Hof schreibt seit 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte.
Mehrere hundert arbeitslose Frauen und Männer, Sozialhilfeempfänger (Hartz IV und 1 Euro Jobs) und Zuwanderer wurden dort beschäftigt, qualifiziert und konnten in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Der Anbau von ökologischen Produkten mit dem Markenzeichen "Bioland" auf einer 5 Hektar großen Fläche hat überall große Anerkennung gefunden. Der Absatz der Produkte auf Märkten, in Krankenhäusern, den Alten- und Pflegeheimen, der Gastronomie, hat die Einnahmen erheblich gesteigert. Der Holzeinschlag und die Vermarktung des Brennholzes waren erfolgreiche. Das soll alles nicht mehr gelten und aufs Spiel gesetzt werden?
Mein Appell:
1. Es ist immer eine wichtige Pflicht der Gesellschaft alle Menschen in Arbeit zu bringen.
2. Der ÖKO-Hof ist das Aushängeschild des Landkreises.
3. Der Öko-Hof hat vielen Menschen geholfen. Der ÖKO-Hof darf nicht in Frage gestellt werden, sondern braucht mehr Unterstützung durch den Landkreis. Nur dann geht es auch voran und aufwärts. Wo ein Wille ist auch ein Weg!
4. Der Öko-Hof ist anerkannt als Bioland Betrieb. Soll dort künftig wieder Mais angebaut werden?
5. Der Öko-Hof ist integraler Bestandteil des Dorflebens in Wiesede geworden.
Ohne Öko-Hof kein Backhaus, keine Backtage, keine Werkstatt für die Dorfgemeinschaft , kein Öko-Markt oder Adventsnachmittag auf der Diele.
6. Die Investitionen (s. Vorlage) für den Öko-Hof sind nicht notwendig und dienen der Verunsicherung und als fadenscheinige Begründung den Öko-Hof einzustellen.
7. Die stärkere Einbindung der Gemeinde Friedeburg muss erfolgen. Denn auch die Gemeinde hat vom Öko-Hof profitiert. Es muss dringend ein Gespräch mit der Gemeinde geführt werden.
Es gibt so viele gute Gründe für den Erhalt des Öko-Hofes. Die Verwaltungsspitze und auch die Kreistagsabgeordneten sollten mit Überzeugung und offensiv sowohl für den Bestand als auch für die Weiterentwicklung des Öko-Hofes kämpfen. Wir brauchen Sie als Entscheidungsträger. Verlangen Sie im KA einen Aufschub und lassen Sie uns noch einmal über alle Dinge sprechen und verhandeln. Wir brauchen Ihre Unterstützung!
Meine herzliche Bitte an den Landrat und die Mitglieder/Fraktionen im Kreissausschuss:
Fassen Sie keinen Beschluss und vertagen Sie die Entscheidung erneut zur Beratung in die Fraktionen. Wenn Sie wollen, lässt sich eine Lösung finden.
Ihr
Günter Peters Wiesede
15.12.2013
Zitat Ende

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